Programm 2019

Programm ITW-Netzwerk-Tagung 2019 in Jena

Kurzüberblick:

  Freitag Samstag Sonntag
10 Uhr Panels 3 und 4 Panel 7 und 8
11 Uhr
12 Uhr Panel 5 und 6 Abschlussrunde
13 Uhr
14 Uhr Mittagspause
15 Uhr Anmeldung Fishbowl-Diskussion: Verhältnis von Inter* und Trans* im Netzwerk
16 Uhr Eröffnung und Vorstellung
17 Uhr Panels 1 und 2 16:45 Workshop 1 und 2
18 Uhr
19 Uhr Netzwerk-Orgatreffen 19:30 Abendessen
20 Uhr
21 Uhr Abendessen & Chillout Tagungsparty

Freitag, 30. August 2019

15 Uhr: Anmeldung und Ankommen

16 – 17 Uhr: Eröffnung und Vorstellungsrunde

17.15 Uhr – 18.45 Uhr: parallele Panels

Panel 1: Geschlechtervorstellungen von Expert_innen

Panel 2: Darstellungen von Trans* und Inter*

18.45 – 19.15 Uhr: Pause

19.15 Uhr – 20.45 Uhr:

  • Netzwerk-Orgatreffen

ab 21 Uhr: Abendessen und Chillout im Gewölbekeller im Haus auf der Mauer

Samstag, 31. August 2019

10.15 – 11.45 Uhr: parallele Panels

Panel 3: Verständnisse von Inter*

Panel 4: (Trans)Geschlechtlichkeit und Sozio-Materialitäten

11.45 – 12.15 Uhr: Pause

12.15 Uhr – 13.45 Uhr: parallele Panels

Panel 5: Identitätspolitik

Panel 6: Expert_innenhoheit

13.45 – 14.45 Uhr: Mittagspause

14.45 – 16.15 Uhr: Plenarveranstaltung

  • Verhältnis von Inter* und Trans* im Netzwerk

16.15 – 16.45 Uhr: Pause

16.45 – 19.30 Uhr:

Workshop 1: Verletzlichkeit

Workshop 2: Körperlichkeit

19.30 – 20.30 Uhr: Abendessen

ab 21 Uhr: Party

Sonntag, 1. September 2019

10.15 – 11.45 Uhr: parallele Panels

Panel 7: Empowerment

Panel 8: Geschlechtliche Vielfalt aus naturwissenschaftlicher Perspektive

11.45 – 12.15 Uhr: Pause

12.15 – 13.15 Uhr: Abschlussrunde

Abstracts

Eric L. Caselles: Epistemische Haltungen von Forschenden in den Trans Gehirn Studien. Berichte aus unwahrscheinlichen Gesprächen

Ich forsche in meiner Masterarbeit zu aktuellen neurowissenschaftlichen Studien zu Geschlechtsidentität und Transgeschlechtlichkeit. Mit der Formulierung der “Brain sex reversal”-Hypothese kann der Beginn des Forschungsfeldes auf Mitte der 1990er datiert werden. Seitdem hat sich viel geändert. Die Ergebnisse weiterer Studien haben diese Hypothese in Frage gestellt und gezeigt dass die Gehirnmuster von Trans-Teilnehmer*innen sich nicht einfach in “männliche” oder “weibliche” Gehirnmuster kategorisieren lassen, sondern ganz eigene Muster zeigen.

In der Zeit hat in der Biologie und Neurowissenschaften eine theoretische Verschiebung stattgefunden, die mit Begriffe wie Plastizität oder Epigenetik biosoziale Denkweisen verstärkt. Feministische Biologinnen, Neurowissenschaftlerinnen und Sozialpsychologinnen haben Beiträgen zur Frage von Geschlechtsidentität geliefert, die die sozio-kulturelle und die biologische Dimension in Bezug zueinander zu setzen. Weiterhin hat sich das Verständnis von Transidentitäten im medizinischen Denken im Sinne der Anerkennung von Vielfalt, Nichtbinarität und Depathologisierung geändert. Und nicht zuletzt haben die Trans Studies einen kritischen Forschungs- und Reflexionsraum zu Transgeschlechtlichkeit eröffnet.

Das Problem der neurowissenschaftlichen Studien ist, dass diese theoretische Entwicklungen nicht berücksichtigt werden oder nur auf eine oberflächige Art. Geschlechtsidentität wird als biologischer Faktor verstanden, Geschlecht wird binär in männlich und weiblich von den Genitalien, Gehirnmuster zu Verhalten eingeteilt. Sozio-kulturelle Variablen und Intersektionalität werden ausgeblendet. Hier setzt meiner Masterarbeit an. Auf diese konzeptuelle und methodologische Probleme der Studien aufbauen, habe ich Interviews entwickelt, in denen die Neurowissenschaftler*innen mit alternativen Ansätzen konfrontiert werden, nach den Gründen für deren konzeptuellen und theoretischen Entscheidungen befragt werden, sowie weitere Informationen über die Durchführung der Studien gewonnen werden.

Die Interviews bezeugen die Möglichkeit des “Ins-Gespräch-Kommens” und kehren dabei das Verhältnis von Forscher-Beforschten um. Momentan befinde ich mich in der Analyse von drei durchgeführten Interviews und noch ein viertes steht bevor. In der Auswertung geht es mir darum Momente der Konvergenz und die Divergenz zu identifizieren, Öffnungen und mögliche Brücken zu lokalisieren, sowie Mauer und Widerstände für ein gemeinsames Denken quer über Disziplinen. Dabei spielen Fragen der epistemischen Haltung eine wichtige Rolle: Neugier, Offenheit, Bescheidenheit oder Vorurteile, Misstrauen, Arroganz gegenüber anderes Wissen. Eine weitere Dimension sind die aktiven Logiken im Feld der neurowissenschaftlichen Studien: die Abhängigkeit von Gelder, der Druck zu veröffentlichen und Ergebnisse zu produzieren, die Macht der Konventionen, oder die Grenzen der experimentellen Methode.

Eric L. Caselles schreibt eine Masterarbeit im MA Gender Studies an der Humboldt-Universität zu Berlin.

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M* Deininger: How pink is green? Queere und dekoloniale Perspektiven auf die Konstruktion von ‚Natur/en‘ in zwei ausgewählten Nationalparks in Deutschland

In the course of socio-ecological crises, the assessment and evaluation of ’nature/s‘ is currently much discussed. It is stated that ‘natural‘ processes have been systematically displaced from the landscape in Central Europe, especially since the beginning of industrialization. My doctoral research is centred on the observation that reference is increasingly being made in ’nature/s’ conservation debates in Germany to ‚wilderness’ and ‚Let nature be nature’ as principles of thought and action. My object of investigation are interviews conducted with scientists, managers, and with people working in the field, and administration in the Bavarian Forest, and the Black Forest National Park. I concentrate on aspects of power and domination in the construction of the ’natural’ and the ‚wild’ by the interviewees from a queer, decolonial and feminist perspective. The impact of colonialism, racism, capitalism, sexism*, and queer* hostility on the ideas of ‚beautiful‘, ‚valuable‘ and ‚worthy of preservation‘ is the focus of my analysis. I also deconstruct the associations between (un)tamed/(un)wanted femininity* and environmental dynamics, and between the seemingly unpolluted, paradisiac ’nature‘ and queer* bodies. Last but not least, the critical focus of my analyses are concepts of the ‚other’, the ‚(mal)functioning‘, the ‚(un)natural‘, the ‚(un)cultivated‘, the ‚(un)healthy‘, the ‚(dis)abled, the ‚(un)desirable‘, ‚ugliness‘, ‘pervesion’ and ’shame(fulness)‘.

M* Deininger is doing a PhD on decolonial, queer, and feminist perspectives on the construction of ‘wilderness‘ in national parks in Germany at the Leibniz University of Hannover, Faculty of Architecture and Landscape.

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Robin Saalfeld: Zur Visualität von Transgeschlechtlichkeit: Körperdarstellungen in Medizin, Subkultur und im Spielfilm

In den Gender Studies gibt es seit ihrer Begründung zahlreiche Studien zum Zusammenhang von Visualität und Geschlecht. Dass visuelle Darstellungen ideologische Inhalte über Weiblich- bzw. Männlichkeit verbreiten, ist mittlerweile eine etablierte Erkenntnis. Da in den letzten Jahren Trans* Menschen medial immer sichtbarer werden, liegt die Frage nahe, welche Botschaften über Geschlechtlichkeit visuelle Darbietungen von Transgeschlechtlichkeit diskursiv in Umlauf bringen. In meinem Vortrag möchte ich Erkenntnisse präsentieren, die ich im Laufe meines Promotionsprojekts über die Visualität von Transgeschlechtlichkeit gewonnen habe. Dabei gehe ich nicht nur auf die historische Genese einer medizinischen Sichtbarwerdung der_s Transsexuellen ein, sondern fokussiere auch auf aktuelle visuelle Darbietungen, die im social media-Bereich (Youtube), in der zeitgenössischen Kunst und im Bereich des populären Spielfilms angesiedelt sind. Der Vielfalt der visuellen Dokumente wird durch ein methodisches Programm – einer (queer-orientierten) Visuellen Grounded Theory – Rechnung getragen, das sich zur Analyse von devianten Geschlechtsdarstellungen eignet und im Vortrag kursorisch vorgestellt wird.

Es wird sich zeigen, dass alle Darbietungen, so unterschiedlich sie ästhetisch, in ihrem Format und ihrer Verbreitung daherkommen, Transgeschlechtlichkeit als körperliches Phänomen präsentieren, das verschiedentlich ausbuchstabiert wird. Durch die Analyse ließen sich drei (Denk-)Figuren als diskursive Bedeutungsträger ausfindig machen: (a) die Figur des medizinischen Transsexuellen, dessen Körper verAndert wird, (b) die Figur der selbstermächtigten Trans*Person, die ihren Körper wiederaneignet, und (c) die kinematografische Figur des Transgenders, dessen Körperdarstellungen zwischen Objektivierung und Sensibilisierung oszillieren. Der Vortrag stellt diese drei Figurentypen vor und problematisiert sie hinsichtlich ihrer geschlechterpolitischen Implikationen. Insgesamt ist der Vortrag zu verorten an der Schnittstelle der Transgender und Queer Studies und einer Visuellen Soziologie.

Robin K. Saalfeld, M.A. ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kunst- und Kulturwissenschaften der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Dort arbeitet er im Bereich der Filmwissenschaft. Er studierte Medienwissenschaft, Soziologie und Psychologie in Jena und Toronto und promoviert derzeitig in der Soziologie zur Visualität von Transgeschlechtlichkeit in Bild und Film.

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Kai* Brust: Tagging Transgender History: Marginalisierte Selbstbezeichnungen aus der „gender-community“ als Schlagworte im archivalischen Thesaurus

In diesem Vortrag möchte ich meine Bachelorthesis im Fach Geschichte vorstellen, mit der ich im Sommersemester 2019 an der TU Darmstadt meinen Joint Bachelor of Arts abgeschlossen habe.

In der Arbeit stelle ich die Frage, welche Strukturen innerhalb zweier nordamerikanischer Peerzeitschriften aus der „gender-community“ der 70er (Transvestia) und 90er (Cross-Talk) zur Unsichtbarmachung bestimmter Selbstbezeichnungen innerhalb der Gruppe führten. Weitergehend beschäftige ich mich damit, wie sich diese Unsichtbarkeiten innerhalb der Konzeption von archivalischen Thesauri fortsetzen. Zum Abschluss ein Ausblick auf Alternativen, die sich, mit Hilfe neuer Methoden zur Konzeption von Thesauri, bieten.

Den methodischen Rahmen bildet Gramscis Theorie zur kulturellen Hegemonie und ergänzend Einflüsse Spivaks, Foucaults und Butlers, vor allem zur Entstehung und Bedeutung von Diskursmacht und Repräsentant*innen innerhalb von Gruppen. Im Speziellen stelle ich die These auf, dass die hegemoniale Stellung Letzterer innerhalb von Peer-Medien es ihnen ermöglicht, dort geführte Diskurse über Begriffe zu steuern/ dominieren. Folglich sind sie auch in der Lage zu kontrollieren, welche Begriffe nach außen dringen. Alle nach außen dringenden Begriffe haben das Potential rezitiert zu werden bzw. Einfluss auf gruppen-externe Ebenen der Begriffsbildung auszuüben (z. B. Medizin, Politik usw.). Repräsentant*innen verfolgen mit diesem Gatekeeping die Intention, dass die Gruppe nach außen hin homogen erscheint, um politische Handlungsmacht und Legitimation für diese zu erreichen. Dieses Ziel fordert von ihnen Kompromisse. Deswegen gelingt es ihnen nur jene Fraktion der Gruppe sichtbar zu machen, welche der gesellschaftlichen Norm am meisten ähnelt. Sie selbst müssen dieser Fraktion angehören um gehört zu werden. Mit ihrem Handeln konstruieren und konstituieren sie ein Gruppenbild nach außen, dass die innere Heterogenität der Gruppe und dabei bestimmte Identitäten unsichtbar macht.

Kai* Brust hat an der TU Darmstadt studiert und eine Bachlorarbeit im Fach Geschichte geschrieben.

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Michaela und Marion: Wie kommen Intersexualität und Transsexualität in Fanfiction vor?

Seit der Alphabetisierung und Verfügbarkeit billiger Bücher und Vervielfältigungsmittel gewann Fanfiction an Bedeutung, seit Verfügbarkeit des Internets wuchs enorm an. Zu den typischen Erzählfiguren innerhalb von Fanfiction gehören u.a. Male-Preg und Geschlechtertausch, sowie die Verpaarung von Charakteren, die in den Ursprungstexten weder verwirklicht noch angedacht wurden. Stellen diese Phänomene nun eigene Entitäten dar, oder erweisen sie sich als Stellvertreter für Intersexualität oder Transsexualismus? Wie weit können is und ts sich in Fiction und speziell Fanfiction integrieren?

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K. Winner: Biologische Vielfalt – Das Spektrum körperlicher Geschlechter

Bei Betrachtung des körperlichen Geschlechts wird in vielen Diskursen weiterhin eine strenge Unterscheidung in „männlich“ und „weiblich“ zugrunde gelegt. Intergeschlechtlichkeit wird als seltenes Randphänomen betrachtet und häufig ignoriert. Die sozialkonstruktivistische Sex/Gender-Dichotomie wird – entgegen der ursprünglich progressiven Intention – inzwischen auch in vielen konservativen Kontexten aufgegriffen, wobei dann „Sex“ als das „eigentliche Geschlecht“ und „Gender“ lediglich als Epiphänomen betrachtet wird. Bei genauerer Betrachtung kann jedoch auch das körperliche Geschlecht im Sinne eines Spektrums gesehen werden, in dem sich Intergeschlechtlichkeiten nahtlos einfügen lassen. Die verschiedenen Ebenen – von den Chromosomen und auf ihnen enthaltenen Genen, über die Keimdrüsen, die Genitalien und die Bildung und Wirkung der sogenannten „Geschlechtshormone“ – zeigen, dass auch „Sex“ ein komplexeres Phänomen ist als vielfach angenommen. Das Konstrukt 46XX=weiblich und 46XY=männlich und die damit assoziierten Attribute führt in vielen Fällen zu Widersprüchlichkeiten: von selteneren Phänomenen wie z.B. phänotypisch weiblichen Individuen mit XY-Chromosom bis hin zur sehr viel häufigeren „bärtigen Frau“ bzw. dem „Mann mit Brüsten“. Die „Varianten der Geschlechtsentwicklung“ im biologischen Sinne beinhalten neben den Archetypen „XX-Eierstöcke- weibliche Genitalien-weibliche Sekundärmerkmale“ und „XY-Hoden-männliche Genitalien-männliche Sekundärmerkmale“ eine Reihe anderer Möglichkeiten, die sehr viel mehr Individualität zulassen, als hegemoniale Diskurse nahelegen. Festlegungen von Geschlecht anhand chromosomaler Marker, der Gestalt der Gonaden oder der Genitalien sind jedoch weiterhin die alltägliche Praxis in der Medizin. Kinder, deren „Geschlechtsmerkmale“ diskrepant zum dichotomen Modell sind, werden auch heute noch chirurgisch, hormonell und via Erziehung zur Zuordnung zu einem von zwei Geschlechtern gezwungen. In diesem Vortrag, der sich sowohl auf längst Bekanntes, als auch auf neuere Erkenntnisse stützt, möchte ich zeigen, dass die Annahme strenger Binarität im Kontext heutiger Forschung eigentlich keinen Bestand mehr haben kann.

K. Winner ist angehende_r Fachärzt_in für Kinder- und Jugendmedizin und involviert in Therapie, Wissenschaft und Forschung zu den Themen inter* und trans*.

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Michaela Katzer: Intersexuelle Menschen kommen bei zeitgenössischen Begriffen und Vorstellungen oft unter die Räder

Obwohl intersexuelle Menschen oft miterwähnt werden und z.T. explizit mit-angesprochen werden, sehen sie sich oft Begriffen und Vorannahmen ausgesetzt, wobei sie sich weiter oder desto mehr mißverstanden fühlen. Am Beispiel einer Befragung, die im Herbst 2018 auch in intersexuellen Zusammenhängen beworben

wurde, möchte ich dies verdeutlichen, da mehrere Betroffene daran teilgenommen hatten und mir anschließend ihre unguten Gefühle schilderten. Ziel ist einerseits Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung Mittel in die Hand zu geben, solche Situationen zu erkennen und zu vermeiden, und andererseits andere Personegruppen darauf aufmerksam machen, welche Worte und Vorannahmen sie besser vermeiden wollen, und welche Wege sie einschlagen können, um achtsamer und solidarischer mit intersexuellen Menschen umzugehen.

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Jennifer Stoll: Eltern-Werden und Verwandtschaft-Machen jenseits von Cis-Geschlechtlichkeit und Heteronormativität

Im Zuge gegenwärtiger Anfechtungen von binärer Zweigeschlechtlichkeit, Pluralisierungstendenzen von familialen Lebensweisen sowie der Entwicklung reproduktionstechnologischer Möglichkeiten geraten hegemoniale Formen von Elternschaft in Bewegung. Praktiken des Eltern-Werdens jenseits von Cis-Geschlechtlichkeit stellen zum einen Anfechtungen repronormativer Anordnungen dar und verweisen zugleich darauf, wie Elternschaft weiterhin durch Recht, Medizin und staatlichen Politiken Menschen unterschiedlich ermöglicht, erschwert oder gar verunmöglicht wird.

Der Beitrag widmet sich dem Thema Eltern-Werden jenseits cis-heteronormativer Modelle und nimmt dabei Erfahrungen, die Personen, die sich als trans* identifizieren und Eltern werden, geworden sind oder werden möchten, in den Mittelpunkt.

Ansätze aus den Feldern der Trans Studies und Feminist Science and Technology Studies eröffnen Möglichkeiten, Eltern-Werden jenseits individualisierender und biologisierender Verständnisweisen als komplexe sozio-materielle Prozesse zu begreifen. Dieser Vortrag widmet sich einem queerfeministischen, posthumanistisch- (Braidotti 2014) und neomaterialistisch-orientierten Verständnis von Prozessen des Eltern-Werdens und Verwandtschaft-Machens (Haraway 2016). Dabei werden empirische Bezüge zur laufenden ethnografischen Forschung hergestellt. Diese handeln, ausgehend von konkreten Lebenssituationen und Erfahrungen von Menschen, die sich als trans* identifizieren, von spezifischen Herausforderungen, Komplexitäten, (Un)Möglichkeiten und (kreativen) Umgangsstrategien des Navigierens zwischen u.a. Körpern, Körperfunktionen, rechtlichen Hürden, technologischen Möglichkeiten, Community und dem Wunsch, Eltern zu werden.

Damit widmet sich dieser Vortrag der bislang in der Forschung sowie dem Diskurs um ‚Regenbogenfamilien‘ und ‚queerer‘ Familienbildung kaum zu verzeichnenden Berücksichtigung von trans* Perspektiven und Erfahrungen und knüpft zugleich an gegenwärtige Debatten aus dem Feld der Gender, Queer und Trans Studies zur Verflechtung von Materialität, Sozialität und Geschlecht an. Das im Fokus stehende Erkenntnisinteresse ist es hierbei zum einen, Erfahrungen, die Menschen jenseits von cis-normativen Lebensweisen machen, in den Mittelpunkt zu rücken und zum anderen zu Fragen, wie Eltern-Werden jenseits individualisierender, biologisierender und pathologisierender Weisen konzeptualisiert, erforscht und jenseits cis-heteronormativer Modelle möglich gemacht werden kann.

Jennifer Stoll ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Kassel im Fachgebiet Soziologie der Diversität unter besonderer Berücksichtigung der Dimension Gender.

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Toni Schadow: Soziologische Erkundungen des Binders

Dieser Beitrag aus soziologischer Perspektive möchte sich mit dem Binder einem Gegenstand widmen, der für einige transgeschlechtliche Individuen ein täglicher Begleiter ist, aber dennoch bisher wenig wissenschaftlich untersucht wurde. Wenn Binder in Beiträgen aus den Trans Studies vorkommen, werden sie als Hilfsmittel zum Ausdruck der geschlechtlichen Identität erwähnt. Dabei verbleibt die Betrachtung auf einer Ebene von Symbolen und Bedeutungszuschreibungen. Der Beitrag möchte sich explizit Betrachtungen widmen, die über die symbolische Wirkung des Binders hinaus gehen. Hierzu sollen die drei Theorietraditionen der Praxistheorie, der Phänomenologie und des New Materialisms herangezogen werden.

So können erstens Fragen nach den sich in Bindern verstetigenden sowie mit ihnen entfaltenden Praktiken gestellt und das in Binder-Praktiken eingehende Wissen untersucht werden. Beispielsweise zeigt sich so, an welche Kleidungstraditionen Binder anschließen und es kann das kulturelle Wissen um ihre Benutzung nachgezeichnet und hinterfragt werden. Zweitens können die leiblichen Interaktionen mit Bindern und Prozesse der Einleibung betrachtet werden. Was bedeutet es, wenn der Binder Teil des leiblichen Empfindens wird? Welche Konflikte können sich ergeben? Drittens soll es um Fragen des Werdens mit nicht-menschlichen Entitäten gehen.
Der Beitrag stellt eine erste Erschließung des Themas dar und möchte offene Forschungsfragen aufwerfen.

Toni Schadow hat Geschlechterforschung und Soziologie an der Universität Göttingen studiert und befindet sich derzeit im Masterstudiengang Soziologie an der Uni Jena. Im Rahmen einer Seminararbeit hatte Toni die Gelegenheit, sich mit Bindern zu beschäftigen und möchte die Ergebnisse nun vorstellen.

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Michaela Katzer: Woher Identitätspolitik kam, und warum sie nicht nur Menschen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung mehr schadet als nutzt

Identitätsvorstellungen entspringen dem Geiste des späten 19. und 20. Jahrhunderts üben weiterhin ihre Diskursmacht aus. Paradigmatisch war die Erfindung des Homosexuellen als Entität, wie u.a. Foucault sie nachzeichnete. Hierauf bauten in erheblichem Maße die Schwulen- und die Lesbenzusammenhänge auf, die sich ab den 1970er Jahren neu formierten und Einfluß auf die Politik nahmen. In Anbetracht der zu Grunde liegenden Bedürfnissen erweist es sich jedoch als falsch und schädlich, Intersexualität oder Transsexualismus auf vergleichbare Weise identitär zu basieren oder zu verhandeln, wovor kluge Betroffene schon lange gewarnt hatten. Da aber traditionell in der Species Homo die durchsetzungswilligen Individuen selten weitsichtig oder mitfühlend handeln, kam es zu einer Schieflage, die sich ab den 90er Jahren auf Menschen im Kontext von Transsexualismus und seit etwa 15 Jahren auch Menschen mit Intersexualität vereinnahmt. Als Ausblick möchte angerissen werden, wie der identitären Verlockung und Falle entkommen werden kann.

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Joris Gregor:Skizzierungen eines queer_feministischen Materialismus als solidarisches Pendeln zwischen differenzfeministischer Identitätspolitik und queerer Identitätskritik

Die mit ‚Beißreflexe’ provozierte Auseinandersetzung zwischen dem so genannten materialistischen Feminismus (marxistisch-feministische Identitätspolitik im Anschluss an den Differenzfeminismus; ‚Zweite Welle‘-Feminismus) und dem so genannten Queerfeminismus (identitätspolitische Bemühungen im Kontext poststrukturalistischer und/oder dekonstruktivistischer Theorien; Dritte Welle‘-Feminismus) hat Konflikte innerhalb der feministischen Bewegungen aktualisiert, die seit Erscheinen von Judith Butlers ‚Das Unbehagen der Geschlechter‘ vor sich hin schwelen.
Anstatt den Graben immer wieder neu auszuheben, so die These des Vortrages, braucht es einen Brückenschlag. Der Vortrag ist damit insbesondere als ein Beitrag zur Verständigung zu verstehen, der aus queer_feministischer Perspektive den solidarischen Dialog mit differenzfeministischen Ansätzen sucht. Es werden die Gemeinsamkeiten beider Strömungen fokussiert und die Unterschiede in den Gemeinsamkeiten kritisch-solidarisch diskutiert, statt erneut die inkommensurablen Momente der Strömungen zu stabilisieren. Ziel ist die Skizzierung eines möglichen theoretischen Brückenschlags, eines queer_feministischen Materialismus, der die Errungenschaften der differenzfeministischen Identitätspolitik anerkennt, ohne hinter die Verdienste queerer Identitätskritik zurück zu fallen.

Joris Gregor studierte Pädagogik, Geschlechterforschung und Philosophie an der Georg-August-Universität Göttingen. Von 2009 bis 2014 Promotionsstipendium der Doktorandenschule Laboratorium Aufklärung an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Seit April 2012 bis heute wissenschaftliche Mitarbeit am Lehrstuhl für allgemeine und theoretische Soziologie (Prof. Dr. Hartmut Rosa). 2014 Promotion mit einer Forschungsarbeit zur Biographie inter*geschlechtlicher Menschen.

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Paulena Müller: Die Stellungnahme Intersexualität des Deutschen Ethikrats

Der Beitrag basiert auf einer umfangreichen studentischen Arbeit im Rahmen des interdisziplinären Seminars Gesundheit und Geschlecht – Intersexualität am Institut für Gender Studies der Ruhr-Universität Bochum. Die Arbeit nimmt eine mehrstufige Analyse der Stellungnahme Intersexualität des Deutschen Ethikrats in Bezug auf ihre strukturellen Vorprägungen und ihren Sprachgebrauch vor, deren wichtigste Ergebnisse im Beitrag präsentiert werden sollen.

Der 2012 veröffentlichten Stellungnahme kommt in der öffentlichen Debatte um die medizinische, rechtliche und soziale Behandlung von inter*-Personen und in Folgediskursen um geschlechtliche Selbstbestimmung der Status eines bedeutsamen Meilensteins zu. Die Stellungnahme, die 2011 auf Druck von CEDAW und Betroffenenverbänden von mehreren Bundesministerien in Auftrag gegeben wurde, wird im Zuge juristischer Neuerungen zu inter*-Rechten und geschlechtlicher Selbstbestimmung als zentraler Bezugspunkt gehandelt (vgl. BVerfG 2017). Auch offizielle medizinische Positionen, die sich von der jahrzehntelang kaum hinterfragten Praxis der binären Angleichung durch Eingriffe hin zu mehr körperlicher Selbstbestimmung bewegen, nutzen die Stellungnahme als Beleg und initiatives Moment (vgl. Bundesärztekammer 2015, 3f., 9 et al; vgl. AWMF 2016, 4, 19).

Der vorliegende Beitrag fokussiert sich angesichts dieses Stellenwerts auf die Prämissen, die die Stellungnahme – und damit ihren Einfluss – bedingen. Die Motivation für dieses Forschungsanliegen entsteht primär aus den kritischen Perspektiven aus Aktivismus und Wissenschaft auf die erfolgten Maßnahmen, insbesondere mit Blick auf die bleibende Deutungshoheit der Medizin über den Geschlechtskörper (vgl. Dritte Option 2018; vgl. Intersexuelle Menschen e.V. 2018, 1). Deren bestehende Gewaltsamkeit zeigt sich am klarsten in der gleichbleibenden Häufigkeit von normangleichenden Operationsverfahren an nicht-einwilligungsfähigen Kindern zeigt (vgl. Hoenes u.a. 2019, 19f.).

Aufbauend insbesondere auf der von Voß (2012, 5ff.) und Gregor (2015, 78ff.) geäußerte Kritik an der Vorgehensweise und Institutionalisierung des Deutschen Ethikrats verfolgt der Beitrag vertiefend die Frage, inwieweit bereits die Position des Gremiums, trotz generellem Bekenntnis zu geschlechtlicher Selbstbestimmung, institutionelle Dominanz über den (inter*-)Geschlechtskörper konkret reproduziert. Hierbei wird zunächst auf essentialistische sowie pathologisierende Sprachstrukturen eingegangen, die das proklamierte Interesse geschlechtlicher Selbstbestimmung konterkarieren. Anhand von Auftragslage und formaler Struktur der Erörterung wird dann der Frage nachgegangen, inwieweit der Aufbau des Untersuchungskonzepts diese Ambivalenz begünstigt und das Ergebnis der Erörterung eingrenzt. Es zeigen sich insbesondere ein ambivalentes Verständnis politischer Eingebundenheit, eine Priorisierung medizinischer Wissensstrukturen als Fundierung der Überlegungen, von denen die sie kritisch reflektiert werden sollen, sowie ein disziplinär getrenntes Verständnis von Expertise, das Betroffenen und nicht-medizinischen Expert_innen kaum Zugang auf medizinische Deutungsstrukturen und Körperwissen gewährt.

Ziel des Beitrags ist es, den diskursiven Status der Stellungnahme durch ihre komplexe Situierung durchlässiger gestalten und neue Möglichkeitsräume in der Bezugnahme auf das Gremium eröffnen zu können.

Paulena Müller hat Germanistik und Musikwissenschaft im Bachelor studiert. Sie absolviert derzeit ein Masterstudium in Gender Studies und Theaterwissenschaft an der Ruhr-Universität Bochum. Sie interessiert sich besonders für (alternative) sprachliche und künstlerische Ausdrucksformen von Geschlecht und für kritische Perspektiven auf medizinische Deutungshoheit.

Referenzen

Arbeitsgemeinschaften der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V. (AWMF) (2016): S2k-Leitlinie: Varianten der Geschlechtsentwicklung. Hg. v. Deutsche Gesellschaft für Urologie u.a., Berlin. Online verfügbar auf: http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/174-001l_S2k_Geschlechtsentwicklung-Varianten_2016-08_01.pdf [11.03.2019].

Bundesärztekammer (2015): Stellungnahme: „Versorgung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Varianten/Störungen der Geschlechtsentwicklung (Disorders of Sex Development / DSD)“. Online verfügbar auf: http://www.im-ev.de/pdf/2015-01-30_BAeK-DSD_Stellungnahme.pdf [11.03.2019].

BVerfG, Beschluss des Ersten Senats vom 10. Oktober 2017 – 1 BvR 2019/16 – Rn. (1-69). Online verfügbar auf: http://www.bverfg.de/e/rs20171010_1bvr201916.html [11.03.2019].

Deutscher Ethikrat (2012): Intersexualität. Stellungnahme vom 23. Februar 2012. Berlin. Online verfügbar auf: https://www.ethikrat.org/fileadmin/Publikationen/Stellungnahmen/deutsch/DER_StnIntersex_Deu_Online.pdf [11.03.2019].

Gregor, Joris Anja (2015): Constructing Intersex. Intergeschlechtlichkeit als soziale Kategorie. Bielefeld: transcript-Verlag.

Hoenes, Josch / Januschke, Eugen / Klöppel, Ulrike (2019): Häufigkeit normangleichender Operationen „uneindeutiger“ Genitalien im Kindesalter. Follow Up-Studie. Bochum

Intersexuelle Menschen e.V. – Bundesverband (2018): Gemeinsame Pressemitteilung von Intersexuelle Menschen e.V., Bundesverband und Intersexuelle Menschen Landesverband Niedersachsen e.V. zum Gesetzentwurf zur Eintragungsmöglichkeit einer weiteren Option im Personenstand. Online verfügbar auf: http://www.im-ev.de/pdf/2018_Gemeinsame_Pressemitteilung.pdf [11.03.2019].

Kampagne Dritte Option (2018): Statement zur beschlossenen PStG-Reform: Ein Schritt nach vorn, aber noch kein verfassungskonformes Gesetz. Online verfügbar auf: http://dritte-option.de/statement-zur-beschlossenen-pstg-reform-ein-schritt-nach-vorn-aber-noch-kein-verfassungskonformes-gesetz/ [11.03.2019].

Voß, Heinz-Jürgen (2012): Intersexualität – Intersex. Eine Intervention. Münster: UNRAST-Verlag.

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K. Winner & M. Grasmeier: Influencer in den Medien und ihr Einfluss auf die medizinische Betreuung trans*identer Kinder und Jugendlicher

In den letzten Jahren wuchs die mediale Aufmerksamkeit gegenüber Kindern und Jugendlichen mit einer Geschlechtsidentität, die nicht dem Geburtsgeschlecht entspricht, stetig. Erfahrungsberichte, Interviews und Reportagen in Online-Magazinen, Fernsehprogrammen und vielen weiteren Medien ermöglichen einer breiteren Öffentlichkeit Zugang und wichtige Informationen zu dieser Thematik. Sowohl in weit verbreiteten Printmedien, als auch in Fachjournalen wie etwa dem „Deutschen Ärzteblatt“ oder dem Journal „Plos One“ finden sich Beiträge von Expert_innen, die sich der Behandlung und Begleitung junger Menschen mit „abweichender Geschlechtsidentität“ verschrieben haben. Dabei fällt jedoch auf, dass hier vorwiegend diejenigen Fachleute und Meinungen dargestellt werden, die als „konservativ“ angesehen werden können. So wird von transgender Identität als „social contagion“ gesprochen und ein „Trend“ postuliert, der von sozialen Medien und Peer-Groups ausgehe. Den Leser_innen des „Deutschen Ärzteblattes“ wird vom Verabreichen pubertätsblockender Hormone abgeraten unter der Annahme, dass diese die psychosexuelle Reifung verhinderten und eine vorzeitige Determination und Verfestigung einer Trans*identität hervorrufen könnten. Die Daten und wissenschaftlichen Grundlagen dieser „Gatekeeper“, etwa Lisa Littman in den USA oder Alexander Korte in Deutschland, halten jedoch genaueren wissenschaftlichen Überprüfungen nicht stand. So werden fragwürdige Studienkohorten ausgesucht, veraltete sexualpsychologische Thesen zitiert und Daten übernommen, welche inzwischen sogar von den Autoren der jeweiligen Originalpublikationen angezweifelt wurden. Auch wird durch die auffällige Präsentation dieser Positionen suggeriert, dass es sich hierbei um eine „allgemeine Fachmeinung“ handele, auch wenn viele Ärzt_innen und Psycholog_innen diese sehr kontrovers sehen. In den Leitlinien zur endokrinologischen Therapie von Trans*kindern und -Jugendlichen, die aktuell ausgearbeitet werden, ist beispielsweise auch weiterhin die Blockade einer ungewollten Pubertät vorgesehen. Wer jedoch außerhalb dieser Fachkreise steht, in denen „gender affirmation“ die Grundlage der Begleitung ist, dem wird ein völlig anderes Bild vermittelt. Welche Konsequenzen kann dies für die medizinische und therapeutische Versorgung der Kinder und Jugendlichen haben? Wie kann der Diskurs auch für die breite Bevölkerung zugänglicher gemacht und den konservativen Stimmen ein Gegengewicht dargeboten werden? Was kann die Forschung dazu beitragen?

K. Winner ist angehende_r Fachärzt_in für Kinder- und Jugendmedizin und involviert in Therapie, Wissenschaft und Forschung zu den Themen inter* und trans*.

M. Grasmeier ist Doktorandin an der Universität Bremen mit BA Kulturwissenschaften.

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Kollektiv Life‘s a Beach: radical softness – verletzlichkeit_en annehmen (Workshop)

inspiriert von den ideen der künstler_in und blogger_in lora mathis‘ möchten wir uns mit radical softness auseinandersetzen. wofür steht dieser begriff? wie wirkt es sich im eigenen alltag oder in beziehungen aus, wenn verletzlichkeit_en und auch sogenannte unangenehme gefühle mehr raum bekommen? warum ist softness_sanftheit_weichheit radikal? und wie beeinflussen erfahrungen von diskriminierung oder privilegierung unseren zugang zu dieser?

wir möchten den raum für den austausch über radical softness öffnen und uns damit beschäftigen, was wir persönlich mit diesem konzept verbinden. egal ob du zum ersten mal von radical softness hörst oder du seit längerem darüber nachdenkst, freuen wir uns, wenn du vorbeikommst.

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Nino Mar Seliz: Verkörpertes Selbst (Workshop)

Die Einladung zu diesem Workshop geht an alle, die Lust haben sich dem körperlichen Selbst zu nähern, Genuss und Spürfähigkeit durch angeleitete Übungen gemeinsam zu erlernen und zu erfahren. Durch den kollektiven Rahmen wird es möglich, diese Erlebnisse auszutauschen, in die Sinne und die verschiedenen Zustände eines verkörperten Selbst und der eigenen Regulierung einzutauchen. Im Mittelpunkt stehen die Elemente Atem, Stimme, Bewegung und Selbstberührung. Es ist ein Selbsterfahrungsworkshop.
Es gibt kein Richtig oder Falsch, kein Muss!

Dieser Workshop wird von Nino Mar Seliz angeboten, einem trans*maskulinen, physisch-und kognitiv-ableisierten Mensch mit working-class Hintergrund, weißen Privilegien, queer lebend in einer Regenbogenfamilie. Nino bezeichnet sich selbst als somatischer Bodynaut*, systemisch-somatischer Begleiter und sexualitätsbezogener Körperarbeiter (nach der Methode sexological bodywork).

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René_ Rain Hornstein: Was lässt sich aus der Forschung zu internalisierter Trans*unterdrückung für aktivistische Communities und Empowerment lernen?

Wie wirken sich sich gesellschaftliche Machtverhältnisse auf die Psyche aus? Je nach dem, ob ich durch ein spezifisches Machtverhältnis (z. B. Rassismus) auf- oder abgewertet werde, schlägt sich dies unterschiedlich psychisch nieder.

Der Begriff der „internalisierten Unterdrückung“ (internalized oppression) bezeichnet die Verinnerlichung von gesellschaftlichen Machtverhältnissen spezifisch auf Seiten der abgewerteten Personen. Zu einzelnen Machtverhältnissen wie z.B. Rassismus oder Sexismus gibt es teilweise bereits Untersuchungen in Bezug auf internalisierte Unterdrückung. Bisher kaum spezifisch betrachtet wurde internalisierte Trans*feindlichkeit.

In meiner Forschung interessiert mich zum einen, was internalisierte Trans*feindlichkeit, im folgenden mit ITF abgekürzt, genau kennzeichnet, und zum anderen, wie sich die Manifestationen und Ausprägungen zwischen Individuen unterscheiden. Ich will dabei berücksichtigen, dass Machtverhältnisse intersektional miteinander verwoben sind, sodass ITF im Zusammenspiel mit anderen internalisierten Unterdrückungsmechanismen betrachtet wird.

Zu einem tiefgehenden Verständnis von ITF gehört meines Erachtens auch, den Prozess zu untersuchen, wie eine Person trotz ausgeprägter ITF handlungsfähig bleibt bzw. (wieder) werden kann. Wie kommen Menschen aus einem Zustand stark ausgeprägter ITF heraus? Dieses Handlungsfähig-Werden nenne ich vorläufig „Empowerment“ und stellte mir in ersten Überlegungen vor, dass dies möglicherweise von Gemeinschaften wie der Trans*community befördert werden kann.

In meinem Vortrag möchte ich auf aktuelle Fragen eingehen, die sich mir in meinem Forschungsprozess gerade stellen und diese mit den Veranstaltungsteilnehmer*innen erörtern. Es sollen die Ergebnisse meiner Durchsicht empirischer und theoretischer Studien zu diesem Thema dargestellt werden und möglicherweise werden schon erste Überlegungen aus dem Anfang der Datenerhebung geteilt. Mein Vortrag ist für unterschiedliche Menschen und Zielgruppen relevant: Ich denke, es gibt Ähnlichkeiten zwischen internalisierter Homonegativität, internalisiertem Sexismus und internalisierter Trans*feindlichkeit und kann mir vorstellen, dass dies Anknüpfungspunkte für eine Theoretisierung der internalisierten Unterdrückung intergeschlechtlicher Menschen bieten kann. Darüber hinaus ist es für individuelle Trans*-, Inter*- und nicht-binäre Menschen von Interesse, mehr über diese Art der Unterdrückung zu lernen, um das für die eigene persönliche Entwicklung berücksichtigen zu können. Auch für die beraterische oder therapeutische Arbeit mit Trans*-, Inter*- und nicht-binären Menschen ist es sinnvoll, mit diesem Konzept vertraut zu sein.

Auf der Gruppenebene ist es möglicherweise hilfreich, Wissen über internalisierte Unterdrückung zu berücksichtigen, wenn es um gemeinsame Kommunikation und politische, sowie wissenschaftliche Arbeit geht, z.B. in Gruppen wie dem Inter*-Trans*-Wissenschaftsnetzwerk selbst, oder in trans*- und inter*aktivistischen Gruppen.

René_ Rain Hornstein ist als Doktorand*in in der Abteilung für Entwicklung, Bildung und Kultur im Psychologie Department der Sigmund Freud PrivatUniversität Berlin tätig. Das Promotionsprojekt wird in Kooperation zwischen SFU Berlin und TU Braunschweig durchgeführt und von der Rosa Luxemburg Stiftung über ein Promotionsstipendium finanziert. Dieses Projekt ist im Überschneidungsbereich zwischen Psychologie und Trans Studies angesiedelt und es untersucht die Beziehung zwischen internalisierter Trans*unterdrückung und Trans*community-Empowerment. René_ Rain Hornstein absolvierte 2017 das Psychologiediplom an der Universität Osnabrück. Im Rahmen der Diplomarbeit befragte Hornstein Trans*menschen nach ihren Unterstützungswünschen an Menschen in ihrer Umgebung mit dem Ziel der empirischen Grundlegung einer Theorie der Trans*verbündetenschaft. René_ Rain Hornstein setzt sich in Lehre, Forschung und Aktivismus für geschlechtliche Selbstbestimmung ein und bevorzugt das Pronomen „em“ oder die Wiederholung des eigenen Namens anstelle eines Pronomens.

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Cora Schmechel: Queering Fitness as a Revolutionary Tool?

Queering Fitness as a Revolutionary Tool heißt ein youtube-Video des US-amerikanischen online-Fitness-Tutorial Anbieters BuffButch 1. In diesem berichten zwei Trans*Personen von ihren schlechten Erfahrungen und politischen Vorbehalten gegenüber kommerzieller hegemonialer Fitnesskultur, stellen gleichzeitig aber auch heraus, welches Potential der individuellen wie kollektiven Selbstermächtigung sie in einem Queering von Fitness, also der Ausübung von Fitnesssport in spezifischen Kontexten und unter entsprechenden Paradigmen, sehen.

In meinem Dissertationsprojekt untersuche ich queere Fitnessgruppen u.a. zur Frage nach der Verhandlung der ambivalenten Potentiale und Grenzen der Eigenkörperformung durch entsprechend gezielten Sport. Gerade für Menschen in geschlechtlichen Transitionsprozessen, aber auch viele andere Queers, spielt die Formung des eigenen Körpers eine wichtige Rolle für den Ausdruck der eigenen Geschlechtsidentität, die Verarbeitung von Gewalt- und Diskriminierungserfahrungen und die Genese von Selbstvertrauen und –sicherheit.

Gleichzeitig stoßen gerade in intersektionaler Verknüpfung mit chronischer Krankheit und Behinderung die Glücksversprechen der Fitnesskultur an ihre Grenzen, finden sich Reproduktionen androzentrischer Körpernormen und führen politische Ansprüche der Anti-Normativität in inter- und intrasubjektive Dilemmata. Der Vortrag stellt auf dieser empirischen Basis anschließende Überlegungen zur ambivalenten Bedeutung der Arbeit am eigenen Körper in queeren Subkulturen vor, und lädt ein, das ‚revolutionäre‘ Potential queerer Fitnesskultur gemeinsam zu diskutieren.

Die Feldforschung ist inzwischen abgeschlossen. Sie bestand aus teilnehmenden Beobachtungen in drei Gruppen und bei einem öffentlichen Event, vierzehn begleitenden problemzentrierten Interviews, sowie einer Auswertung von Werbematerial verschiedener queerer Fitnesskontexte zur Erschließung szenespezifischer Diskurse. Hierfür wurden auch Materialien einbezogen von Gruppen oder Studios, welche nicht teilnehmend beobachtet werden konnten (bspw. oben benanntes Video), da es sich bei den beobachteten Gruppen um Elemente einer größeren und generell globalen Szene handelt. Die Ergebnisse aus den beobachteten Trainingsgruppen wurden in diesen übergeordneten Szene-Diskursen verortet.

1 https://www.youtube.com/watch?v=-6ZWqkwx7E0

Cora Schmechel hat Soziologie, Erziehungswissenschaft und Gender Studies in Postdam und Berlin studiert. Sie promoviert zur Arbeit an Körper und Selbst in Queeren Fitnessgruppen an der LMU München und ist selbst seit vielen Jahren in feministischen und queeren Sportkontexten als Sportlerin und Trainerin aktiv. Sie forscht, schreibt und lehrt zu den Themen Körperpolitiken, Psychopathologisierung und Gender im Sport.

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Simon Zobel: Nonduale Körperwelten. Impulse zu Varianten der Geschlechtsentwicklung oder körpergeschlechtlicher Vielfalt aus Natur- wie Ingenieurwissenschaften

Es existieren neue Sichtweisen und Weltbilder in Natur- wie Ingenieurwissenschaften, die von vielschichtig-komplexen, systemischen Ansätzen ausgehen und auch eine Bereicherung im wissenschaftlichen Diskurs um somatische Varianten der Geschlechtsentwicklung oder körpergeschlechtliche Vielfalt beziehungsweise Transgeschlechtlichkeit darstellen können. Der mehrdimensionale Blick auf lebendige, komplexe Systeme jenseits älterer dual-materialistischer Paradigmen lohnt sich auch in Bezug auf Geschlechtlichkeit und auf das evolutionäre Abenteuer Mensch. Die Angst vor einem Universum zu verlieren, welches mit grenzenlosen Möglichkeiten und Variablen ohne „fester Ordnung“ ausgestattet ist und die Angst vor einem selbstbestimmten Leben darin aufzugeben, könnte sich als lohnenswert erweisen. Aktuelle Antworten aus den Lebenswissenschaften bieten dafür wichtige Impulse. Leben selbst ist – im besten und spannendsten Sinne des Wortes – magischer als jeder Mythos, Mysterythriller oder jedes Wunder. Leben hat seine eigene Magie: die Magie der komplexen Realität. Ein immer noch aktueller Vertreter dieser neueren Sichtweisen war der vielzitierte Evolutionsbiologe J.B.S. Haldane: „Das Universum ist nicht nur queerer, als wir annehmen, sondern queerer, als wir überhaupt annehmen können“. (Haldane, 1928)

Hier setzt der Beitrag an.

Basierend auf aktueller naturwissenschaftlicher Geschlechterforschung werden „Identitäts- und Genderpolitik von eins-zwei-drei“ lebendig infrage gestellt.

Im Folgenden werden ganz praktisch diesbezügliche Fragestellungen zu Perspektiven der Biotechnologie, und auch besonders zur Pränataldiagnostik angesprochen.

Des weiteren sind hier der „EU-Gesundheitsmarkt“ und hierbei Schnittstellen und unterschiedliche Bedarfe von Menschen mit somatischen Varianten der Geschlechtsentwicklung oder von körpergeschlechtlicher Vielfalt beziehungsweise Transgeschlechtlichkeit im Fokus.

Dipl.-Ing. Lebenswissenschaften Simon Zobel ist langjähriger Referent, Autor und Advokat für körperliche Selbstbestimmung. Er studierte Biologie und Ingenieurwesen an der Universität von Paris, Frankreich, hat angewandte Wissenschaften in Paris gelehrt sowie in Frankreich und Deutschland als Ingenieur im öffentlichen Sektor gearbeitet. Sein Fokus bezieht sich auf Grenz- und Konfliktbereiche von (sozialen) Mythologien und Naturwissenschaften.

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Michaela Katzer: Geschlecht war schon immer eine erkenntnistheoretische Herausforderung – taugt dies als Thema einer Dissertation? Unter Berücksichtigung intersexueller und transsexueller Phänomene.

Ich möchte gerne eine Dissertation schreiben, weiß aber nicht, wie realistisch das ist, und bei wem ich das tun kann. Seit biologischem Leben auf Erden bedeutet geschlechtliche Fortpflanzung zwar immer auch einen Kostenfaktor, der sich aber dank der dadurch beschleunigten Evolution auszahlt. Wie ich auf meinem Vortrage 2015 in Wien dargelegt habe, sind selbstverständlich auch begleitende Geschlechtsmerkmale vielzelliger Gattungen den Effekten von Mutationen ausgesetzt, insofern sind Varianten der Geschlechtsentwicklung ein reguläres Begleitphänomen bei insbesondere einhäusigen Arten. In der Differenzierung der Arten hat sich bis heute wiederholt ereignet, daß die Faktoren und Auslöser ihrer Differenzierung dem Wandel unterworfen waren, was naiv-biologistsische Vorstellungen hinreichend falsifiziert. Da auch eine Abstrahierung von Zelle und vielzelligen Individuen und weiter zu Gemeinschaften stattfand, ist plausibel, daß nicht jede einzelne Zelle und auch nicht jedes einzelne Exemplar unmittelbar sich fortzupflanzen braucht, um zum Erfolg der Art bzw. ihrer Sozialgruppen beizutragen. Auch homosexuelles Verhalten ist als Variante durch die Verhaltensforschung beschreibbar und sozialförderlich; die Unterdrückung hingegen führt bei hinreichend intelligenten Arten wie dem Menschen zur Ausbreitung statt zur Unterdrückung homosexualitätsbegünstiger Erbfaktoren. Weiters ist von intelligenten Arten und gesellschaften zu erwarten, daß sie sich neutral zu intersexuellen Merkmalsträgern verhalten, auch um potentiellen evolutionären Sackgassen auszuweichen. Transgeschlechtliche Phänomene wurden in der Geschichte immer wieder beschrieben; auch sie sind neutral zu betrachten, da sie regulär die Reproduktion von Gesellschaften und ihren Herrschaftsverhältnissen nicht gefährden, wobei generell größere Vitalität in Gesellschaften zu beobachten ist, die Geschlechtsrollen nicht überbewerten, sondern allen adulten Exemplaren Selbstverwirklichung erlauben. Vor diesem Hintergrund zeigen vermeintlich konservative bzw. reaktionäre Kräfte nur ihre Dummheit und Schädlichkeit für Gemeinschaft und Fortschritt. Letztlich stehen wir bewußter denn je vor der Herausforderung, möglichst entropievermeidend und umweltschonend qualitative Fortschritte zu erringen.

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